Mehr als 100 Bürger*innen in fünf europäischen Ländern diskutierten 1,5° Lebensstile – welche Änderungen waren für die Teilnehmenden akzeptabel?

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Das deutschsprachige Klima Puzzle liegt mit Optionen für nachhaltige Lebensstile auf einem Holztisch aus
Quelle: adelphi.
Abbildung 2: Das deutschsprachige Klimapuzzle zeigt verschiedene Optionen für emissionsarme Lebensstile.
2023-04-04

Während unserer Citizen Thinking Labs (CTLs) traten wir mit mehr als 100 Bürger*innen aus fünf europäischen Ländern in den Austausch über Optionen für emissionsarme Lebensstile. Ziel war es, festzustellen, (a) ob sie sie bereits umsetzen bzw. bereit wären, sie in naher Zukunft umzusetzen, oder sie ablehnen und (b) welche Gründe hinter ihren Entscheidungen stehen.

Mehr Informationen über unsere Citizen Thinking Labs und die Optionen für emissionsarme Lebensstile finden Sie auf unserer Website. Abbildung 1 zeigt jeweils die zwei Optionen, die während unserer Citizen Thinking Labs in einem Lebensstilbereich (z.B. Ernährung, Mobilität, etc.) die höchste Akzeptanz gefunden haben.

Nachfolgend werden wir die maßgeblichen Gründe beleuchten, warum Teilnehmende bestimmte Optionen ablehnen oder akzeptieren, und einige länderspezifische Unterschiede präsentieren:

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Ernährung:Vermeidung von Lebensmittelverschwendung 95%; Nur so viel essen wie nötig, um gesund zu 95%; Mobilität: Mehr von Zuhause arbeiten	77%; Das Auto durch Fahrradfahren & Gehen ersetzen 70%; Wohnen: Energieeffiziente Beleuchtung 98%; Nutzung energieeffizienter Haushaltsgeräte 96%; Freizeit: Weniger Kleidung & Schuhe kaufen	88%; Weniger Autofahren für Hobbys &Freizeit 82%; Sonstiges: Geld für nicht-konsumbasierte Aktivitäten ausgeben, statt Waren kaufen 91%; Arbeitszeit&Ausgaben für Waren reduzieren 59%
Quelle: adelphi.
Abbildung 1: Meist-akzeptierte Option nach Lebensstilbereich.

Die Akzeptanzrate wurde errechnet indem zunächst die Teilnehmendenzahl derer summiert wurde, die angegeben haben „Das tue ich bereits“ bzw. „Das werde ich ab jetzt tun“, woraufhin sie durch die Zahl der Teilnehmenden geteilt wurde, für die diese Option relevant war; z.B. Gesamtzahl der Teilnehmenden abzüglich der Teilnehmendenzahl, die angegeben haben, dass Optionen für sie „nicht relevant“ seien. So kann beispielsweise eine Person, die kein Auto besitzt, auch nicht das Autofahren durch Radfahren und Laufen ersetzen, sodass die Option für diese Person als „nicht relevant“ einzustufen ist. 

Im Lebensstilbereich Ernährung hatten die Optionen „Ich vermeide Lebensmittelverschwendung zuhause“ und „Ich esse nur so viel wie nötig, um gesund zu leben“ die höchste Akzeptanzrate (je 95,4%). Wirtschaftliche Faktoren wie steigende Lebensmittelpreise und ein „besseres Gefühl“ bei weniger Verschwendung wurden als hauptsächliche Motivation für das Vermeiden von Lebensmittelverschwendung angegeben. Zu den Gründen für das Begrenzen des eigenen Nahrungsmittelkonsums auf ein gesundes Maß zählten gesundheitliche Vorteile und möglicher Gewichtsverlust.

Im Bereich Mobilität zeigten Teilnehmende eine starke Bereitschaft für das „Arbeiten von zuhause“, das für sie während der COVID-19-Pandemie zur Option wurde und nicht nur ein geringeres Infektionsrisiko bot, sondern auch besser vereinbar mit ihrer täglichen Routine war, was beispielsweise mehr Schlaf möglich machte. Beachtlich ist jedoch, dass die Akzeptanzrate in den CTLs in vier Ländern bei über 75% lag (in Schweden sogar bei 100%), in Deutschland aber nur eine Akzeptanz von 55,6% erreichte. Zu den Gründen für die niedrigere Akzeptanz in Deutschland zählen die Sorge, dass eine Trennung von privatem und beruflichem Leben schwieriger würde, sollte mehr von zuhause gearbeitet werden, und dass der soziale Austausch und die Begegnung am Arbeitsplatz nach der Pandemie unerlässlich seien.

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Das deutschsprachige Klima Puzzle liegt mit Optionen für nachhaltige Lebensstile auf einem Holztisch aus
Quelle: adelphi.
Abbildung 2: Das deutschsprachige Klimapuzzle zeigt verschiedene Optionen für emissionsarme Lebensstile.

Die Option, das eigene Auto durch Fahrradfahren und Laufen zu ersetzen, wurde im Schnitt von 69,7% der CTL-Teilnehmenden akzeptiert. Im deutschen CTL war die Akzeptanzrate erneut mit 22,2% außerordentlich niedrig (77,8% Ablehnung), während die spanischen Teilnehmenden die Option zu 92,3% akzeptierten. Als Gründe für den Umstieg vom Auto gaben Teilnehmende an, dass es besser für die Umwelt und Natur sei und dass die körperliche Betätigung darüber hinaus auch Gesundheitsvorteile mit sich bringe und Spaß mache. Im deutschen CTL betonten Teilnehmende die Notwendigkeit des Autos für das Erledigen alltäglicher Aufgaben wie den Transport von Kindern und sahen es außerdem als eine Art Luxus, der Flexibilität und Komfort erlaube.

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Zwei Teilnehmende spielen das Klima Puzzle
Quelle: adelphi.
Abbildung 3: CTL-Teilnehmende in Deutschland wählen Optionen für emissionsarme Lebensstile aus, die sie in naher Zukunft umsetzen würden.

 Im Bereich Wohnen spielten finanzielle/wirtschaftliche Gründe eine maßgebliche Rolle. Die am meisten akzeptierte Option im Bereich Wohnen war der Umstieg auf energieeffiziente Haushaltsgeräte und Leuchtmittel. Die Akzeptanzrate betrug bei spanischen, deutschen, ungarischen und lettischen Teilnehmenden 100%. Der Hauptgrund hierfür war das Energieersparnis, das auch zu Kostenersparnissen führe.

Im Bereich Freizeit fand die Option „Ich kaufe weniger Kleidung und Schuhe“ mit 88,2% die höchste Akzeptanz. „Freiwillige Einfachheit“ spielte eine Rolle in der Motivation der Teilnehmenden, von denen viele angeben, bereits zu viel zu besitzen, Impulskäufe in Zukunft vermeiden zu wollen und nicht mehr zu brauchen. Die Gründe für die Akzeptanz der Option „Weniger Autofahren für Hobbys und Freizeit“ waren u.a. der Wunsch, die eigenen Emissionen zu reduzieren und die Umwelt zu schützen. Darüber hinaus gaben die Teilnehmenden an, Geld sparen zu können, und sahen Fahrradfahren und Gehen als gesunde Aktivitäten. Lettische Teilnehmende gaben hier mit 63% eine niedrigere als die durchschnittliche Akzeptanz an und begründeten dies damit, dass die Distanzen zu weit seien und dass wichtige Infrastruktur fehle.

„Ich werde mehr Geld für nicht-konsumbasierte Aktivitäten ausgeben, anstatt Waren zu kaufen“ traf im Bereich Sonstiges auf weite Akzeptanz (91,1%). Die Teilnehmenden der CTL empfanden Aktivitäten und Erlebnisse als wertvoller und erfüllender als das Kaufen von weiteren Waren. Zeit mit Freunden und Familie verbringen, Bildungsangebote und Kunst und Kultur wurden daher als wertvoller und erinnerungswürdiger als Konsum angesehen. Aufzuhören, mehr „Dinge“ zu kaufen, wurde zudem als positiver Einfluss auf persönliches Wohlbefinden und mentale Gesundheit genannt.

Eines der Ergebnisse der CTLs bestätigt, was viele bereits wissen und erleben: Ein Lebensstil, der mit den Klimazielen vereinbar ist, ist nicht gleichbedeutend mit persönlichen Opfern und Entbehrungen, sondern bringt häufig gleich auf mehrere Weisen eine Verbesserung der Lebensqualität mit sich.

Hinweis: Aufgrund der geringen Stichprobengröße von Bürger*innen pro Land (20-24) und teils noch kleineren Teilstichproben (z.B. wenn CTL-Teilnehmende keine Meinung zu Lebensstil-Optionen äußerten, da sie für sie „nicht relevant“ waren) in unseren CTLs, sind universell-europäische oder länderspezifische Schlussfolgerungen über Bürger*innenpräferenzen zu Lebensstiloptionen nicht möglich. Im weiteren Verlauf des Projekts werden wir die Ergebnisse jedoch mit Blick auf Tendenzen und Trends von Akzeptanz und Ablehnung auswerten.

Lena Domröse und Maren Tornow (adelphi)