Werden 1,5° Lebensstile von Haushalten akzeptiert?

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Eine Frau fasst sich nachdenklich ans Kinn
Paola Aguilar on Unsplash.com
2022-08-12

Eines der Herzstücke des EU 1,5° Lebensstile Projekts sind die sogenannten Citizen Thinking Labs. Soll das heißen, wir schließen Bürger*innen in Labore ein und führen Experimente an ihnen durch? Nein, natürlich nicht. Bei einem virtuellen Kaffeetrinken haben wir uns mit unseren für die Lab-Planung verantwortlichen Projektpartnerinnen Lena Domröse und Maren Tornow von adelphi unterhalten, um mehr darüber zu erfahren, was Citizen Thinking Labs sind.

Frage: Was ist ein Citizen Thinking Lab und was ist das Ziel des geplanten Lab?

Lena Domröse: Citizen Thinking Labs sind Workshops mit Bürger*innen, die als „Teil der echten Welt“ in unser Forschungsprojekt eingeladen werden. Mit ihnen zusammen reflektieren und diskutieren wir die emissionsarmen Lebensstile, die wir bereits analysiert und quantifiziert haben, um so zu erfahren, welche für sie akzeptabel sind und welche nicht. Würden Menschen beispielsweise bereit sein, die Wohnfläche pro Kopf zu reduzieren oder von einem privaten Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen? Und falls ja: Wie weit sind sie bereit zu gehen? Falls nein: Warum nicht? Was hindert sie bzw. was braucht es, damit sie ihre Meinung ändern?

Frage: Wer wird an den Labs teilnehmen und wie tretet ihr mit den Bürger*innen in Kontakt?

Maren Tornow: Das unterscheidet sich von Land zu Land. Im Rahmen unserer Fallstudien untersuchen wir fünf Länder für unser Projekt: Schweden, Ungarn, Lettland, Spanien und Deutschland. Einige unserer Partner nutzen ihre eigenen Kommunikationswege wie ihre Website, Social Media etc., um Bürger*innen einzuladen. Unsere schwedischen Partner (Universität Lund) und auch wir nutzen ein Vermittlungsbüro. Wir planen, etwa 20 bis 25 Personen pro Lab und Land zu gewinnen. Eine erste Durchführungsrunde wird dieses Jahr stattfinden und eine weitere im Jahr 2023.

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D-mat Klima-Puzzle: Zwei Personen spielen ein Brettspiel
oneplanetnetwork.org

 

Frage: Wie werden die Workshops mit den Bürger*innen aussehen? Was haben die Teilnehmenden davon?

Maren Tornow: Der Workshop dauert in der Regel einen Tag. In Deutschland haben wir uns dafür entschieden, ihn an einem Samstag durchzuführen, damit die Teilnehmenden von außerhalb Berlin freitags nach der Arbeit anreisen können. Außerdem muss sich so niemand Urlaub nehmen. Das Projekt übernimmt dabei die Kosten für das Hotel, einen schönen Veranstaltungsort sowie Catering etc. Der Tag beginnt mit einer Vorstellungsrunde der Teilnehmenden und einer Einführung in die Projektziele, woraufhin wir dann aber sehr schnell konkret werden. Zusammen mit unseren Projektpartnern haben wir ein Brettspiel entwickelt, das wir mit den Teilnehmenden spielen möchten. Es basiert auf einem Klimapuzzle unseres Projektpartners D-mat und wir haben für unser Projekt einige Anpassungen vorgenommen. Zurzeit befinden wir uns mitten in der Produktion, daher will ich noch nicht zu viel verraten. Vielleicht können wir dazu in Zukunft noch einen Blogartikel veröffentlichen (😊). Die Teilnehmenden werden das Spiel zu zweit spielen und herausfinden, wie sie ihren Lebensstil verändern oder fortführen müssen, um ihren  CO2-Fußabdruck auf 2,5 t/CO2-eq bis 2030 zu verringern. Ich gehe davon aus, dass ihr Fußabdruck größer als 2,5 t ist, aber vielleicht erleben wir auch eine Überraschung… 2,5t CO2-Equivalente pro Jahr und pro Kopf bezieht sich auf das zur Verfügung stehende Treibhausgasbudget und entspricht etwa der Hälfte des global durchschnittlichen Fußabdrucks und etwa einem Viertel des Fußabdrucks eines*r durchschnittlichen Westeuropäer*in.

Lena Domröse: Was haben die Teilnehmenden davon? Zunächst einmal wird es ein unterhaltsamer Tag werden und sie werden viel von dem Spiel und dem nachfolgenden Reflexionsprozess lernen können. So zum Beispiel, wie sich ihr individueller Fußabdruck aus den Bereichen Ernährung, Mobilität, Wohnen usw. zusammensetzt. In welchem Bereich können sie die größten Einsparungen erzielen? Aber sie werden auch diskutieren, wo die Grenzen für Veränderung sind und wo die Ursachen. Schließlich werden wir unser Augenmerk darauf richten, was sich in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ändern muss, um emissionsarme Lebensstile zu ermöglichen. Hier geht es dann um eine andere Ebene unseres Projekts: Die Strukturen, in denen wir alle leben und die unsere Entscheidungen und Lebensstile beeinflussen – zum Schlechteren wie auch zum Besseren.

Frage: Fast bleibt uns keine Zeit mehr, aber für eine letzte Frage ist noch Platz. Kurz zusammengefasst: Wie werdet ihr mit den Ergebnissen umgehen?

Maren Tornow: Die Ergebnisse werden ein zentraler Teil unserer Analyse von Pfaden und Strategien für 1,5° Lebensstile werden; das heißt, dass wir offenlegen werden, inwieweit Haushalte die verschiedenen Lebensstile akzeptieren, wie wahrscheinlich deren Umsetzung ist und welche politischen Maßnahmen dafür notwendig sind. Neben unserer normalen Öffentlichkeitsarbeit wird dies alles in unserem finalen Projektbericht stehen.

Frage: Vielen Dank für das Interview! Können wir uns nochmal unterhalten, wenn die erste Lab-Runde durchgeführt wurde, um die ersten Erkenntnisse zu besprechen?

Lena Domröse: Na klar! Wir würden uns freuen.

Das Interview mit Lena Domröse und Maren Tornow (adelphi) wurde geführt von Luca Coscieme, Halliki Kreinin und Jeremy Philipp.