Warum wir 1,5° Lebensstile brauchen

Das Projekt EU 1,5° Lebensstile möchte 1,5° Lebensstile in den Mainstream einbringen; aber was meinen wir mit Lebensstilen und warum gerade 1,5°? Wir wissen, dass sich unser Lebensstil ändern muss, wenn wir die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise abmildern wollen. Das bedeutet, dass ein radikaler Wandel in den Strukturen nötig ist, die unseren Lebensstil prägen, und zwar auf allen Ebenen von Politik bis Infrastruktur und einschließlich wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Institutionen.

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cycling in the city

Was ist das 1,5°-Ziel?

Langjährige wissenschaftliche Forschung zu Treibhausgas-Projektionen, Klimamodellen und der Auswirkungen des Klimawandels auf die Erde und die menschliche Gesellschaft zeigen, dass die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau unsere beste Chance ist, die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu mindern. Das Erreichen des 1,5°-Ziels würde die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels, einschließlich des Zusammenbruchs von Ökosystemen, Temperaturextremen, Starkregen, landwirtschaftlichen und ökologischen Schäden durch Dürren und des Anstiegs des Meeresspiegels, signifikant verringern.

Das Ziel „to limit global warming to well below 2, preferably to 1.5 degrees Celsius“ wurde 2015 von 196 Regierungen im Rahmen des rechtsverbindlichen Pariser Klimaabkommens beschlossen. Das Erreichen des Ziels erfordert jedoch eine schnelle und drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen sowie das Erreichen von Netto-Null-Emissionen weltweit bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts.  

Der verbrauchsbasierten Emissionsbilanzierung folgend müssen die Emissionen in Ländern mit hohem Einkommen bis 2050 um mehr als 90 % reduziert werden. Das Zeitfenster für effektive Maßnahmen ist klein und schließt sich mit hoher Geschwindigkeit: Sofern die globalen Emissionen im nächsten Jahrzehnt auf dem aktuellen Niveau bleiben, wird jede Möglichkeit, das 1,5°-Ziel zu erreichen, verloren sein.

Warum sind Lebensstile wichtig?

Haushalte machen einen geschätzten Anteil von 72% an globalen Emissionen aus. Gleichzeitig wissen wir, dass unter Berücksichtigung der notwendigen drastischen Emissionsminderungen und dem kleinen Zeitfenster für effektive Maßnahmen technologische Lösungen allein nicht ausreichen werden. Wir müssen daher darüber nachdenken, wie wir unsere Lebensstile anpassen können, um das 1,5°-Ziel zu erreichen.

Anders als häufig behauptet hängen unsere Lebensstile jedoch nicht nur von individuellen Entscheidungen ab, sondern werden auch durch unsere physische, soziale und politische Umwelt geformt. Um unsere Lebensstile zu ändern müssen wir uns darauf konzentrieren, strukturelle Faktoren wie Lieferkettenlogiken, Maktstrukturen, Gesetzgebung zu Produktion, Werbung und Arbeit sowie gesellschaftliche Normen zu ändern. Nur durch einen Fokus auf systemischen Wandel können wir ein nachhaltiges Leben für Gemeinschaften auf der ganzen Welt ermöglichen.

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1,5 Grad Lebensstile umfassen die Bereiche "Persönliches Wohl", "Gemeinschaftliches Wohl", "Ökologisches Wohl" und "Wirtschaftliches Wohl"
1,5 Grad Lebensstile

Unsere Lebensstile umfassen außerdem viel mehr als nur Konsummuster und Emissionen: Lebensstile werden auch durch nicht-ökonomische Aspekte unseres Lebens geprägt wie z.B. durch das Verbringen von Zeit mit Freund*innen, Pflege von Kindern und altgewordenen Eltern, durch Spielen, Ehrenamt, Sporttraining und durch die Teilhabe in unseren Gemeinschaften. All diese Aktivitäten beeinflussen unser Wohlbefinden als auch unseren Carbon Footprint (CO2-Fußabdruck). Laut des neuen 1.5-Degrees Lifestyle Report, der sich darauf konzentriert, A Fair Consumption Space for All (Faire Konsumgrenzen für alle) zu definieren, sind Lebensstile alles, was wir konsumieren, wie wir unsere Beziehungen untereinander ausgestalten, die Art von Nachbar*in, Freund*in, Bürger*in und Eltern, die wir sind, die Werte, die wir pflegen, und das Maß, indem wir unseren Werten erlauben unsere Entscheidungen zu beeinflussen.

Das Ändern unserer Lebensstile kann uns helfen, das 1,5°-Ziel zu erreichen und gleichzeitig ist das Erreichen des Ziels essenziell, um unsere Lebensqualität zu erhalten. Ein Wechsel zu Lebensstilen, die gut für Umwelt und Natur sind, kann erwiesenermaßen auch positive Effekte auf unsere physische und mentale Gesundheit haben und unser Vertrauen und unsere Teilhabe in Gemeinschaften sowie die Qualität unserer sozialen Beziehungen verbessern.

Der Lebensstil-Ansatz für die Bekämpfung der Klimakrise bietet uns ein umfassenderes Bild von dem, was auf dem Spiel steht - sowohl unsere drohenden Verluste als auch die möglichen Gewinne. Dazu zählen Vorteile wie ein gesünderer Lebensstil, eine gleichberechtigtere Gesellschaft, eine stärkere Bindung an die Natur sowie menschliches und ökologisches Wohlbefinden.

Wie wechseln wir zu 1,5° Lebensstilen? 

Das Erreichen von 1,5° Lebensstilen erfordert einen noch nie dagewesenen systemischen Wandel auf der ganzen Welt - vor allem in Ländern mit hohen Einkommen, die unverhältnismäßig stark für globale Emissionen verantwortlich sind.

Die Art wie wir essen, reisen und wohnen sind Schlüsselbereiche, wo ein Lebensstilwandel den größten Einfluss auf eine Emissionsminderung haben und gleichzeitig die Lebensqualität verbessern kann. Der Wechsel zu einer nachhaltigen Ernährung mit weniger Fleisch- und Milchprodukten reduziert nicht nur Emissionen, sondern kann auch einen allgemein besseren Gesundheitszustand zur Folge haben.

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Auch das Ändern unserer Reisearten kann mentale und physische Gesundheitsvorteile mit sich bringen und gleichzeitig Emissionen und Luftverschmutzung reduzieren. Der Wechsel vom privaten Autoverkehr zu aktiven Transportmitteln wie Fahrrad und Laufen kann die Gesundheit ebenso verbessern. Das Verringern von langen Pendelstrecken, z.B. durch häufigeres Home Office, oder das Wechseln zu geteilten oder öffentlichen Transportmitteln sind ebenso wichtig für das Herabsetzen von Emissionen.

Zuhause ist es wichtig, dass wir überdenken, welchen Platz wir tatsächlich benötigen und dass wir zu einer Infrastruktur wechseln, die eine nachhaltige Stromversorgung und weniger CO2-verursachende Heiz- und Kühlmöglichkeiten bietet.

Um diese Änderungen aber tatsächlich großflächig durchzuführen, müssen wir individuelle Entscheidungen hinausgehen und einen Systemwandel erwirken. Das Erreichen des 1,5°-Ziels erfordert einen raschen Politikwechsel, maßgebliche Investitionen in Infrastruktur und Engagement von allen, die wir innerhalb dieser Systeme leben.

Dana Vigran, Dr. Luca Coscieme, Hot or Cool Institute