Glücklicher, gesünder und reicher durch 1,5° Lebensstile?

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Teilnehmende arbeiten an Tischen.
adelphi
Workshop zu Rebound Effekten in Berlin
2023-06-30

Was passiert mit meinen sozialen Beziehungen, meinem Kontostand und meinem Zeitbudget, wenn ich klimafreundlich lebe? Investiere ich mehr Zeit und Geld in anderen Konsum oder spare ich? Wie ändern sich meine sozialen Beziehungen? Wie meine Gesundheit?

Im Juni organisierte adelphi den zweiten der insgesamt fünf europäischen Workshops zum Thema Rebound-Effekte [1] von 1,5°C-Lebensstilen. Mithilfe dieser Workshops sollen sowohl Teilnehmende als auch das Projektteam Erkenntnisse zu den unbeabsichtigten Folgen von klimafreundlichen Lebensstilveränderungen gewinnen.

Es wurden deshalb zwölf engagierte Verbraucher*innen eingeladen, die bereits klimafreundliche Veränderungen in ihren Lebensstil integriert haben und somit theoretisch eine erhebliche Verringerung ihres CO2-Fußabdrucks erreicht haben sollten. Dabei wurde in vier Lebensstilveränderungen unterschieden:

  1. Verzicht auf Fleischkonsum
  2. Verzicht auf das Fliegen zu Privatzwecken
  3. Abschaffung des eigenen Autos
  4. Verringerung der Wohnfläche

Nach einer kurzen Einführung durch die Projektmanagerinnen Lena Domröse und Maren Tornow ging es los: Die Teilnehmenden fanden sich in Kleingruppen zusammen, um zunächst in einer individuellen Reflexion mögliche Rebound-Effekte in ihrem Verhalten zu identifizieren. Anschließend schilderten sie, mit welchen Handlungen sie die geänderten Verhaltensweisen substituieren, welche Auswirkungen dies auf ihre verfügbare Zeit sowie ihr verfügbares Einkommen hat und was sie mit eventuell gewonnener Zeit anfangen bzw. wofür sie eventuell eingespartes Geld ausgeben. Eine Teilnehmerin berichtete beispielsweise, dass sie durch den Verzicht auf das Fliegen mehr Zeit und Geld in Tierschutzorganisationen investiert. Gleichzeitig gab sie als negativen Rebound-Effekt an, mehr Geld für neue Kleidung auszugeben.

Die Diskussionsrunde am Nachmittag konzentrierte sich auf weitere Effekte, welche einen negativen Einfluss auf das Leben der Teilnehmenden hatten, beispielsweise in Bezug auf das individuelle Wohlbefinden, soziale Kontakte, Gesundheit, Berufswahl usw.. Außerdem schilderten die Teilnehmenden, wie sie diese negativen Effekte ihrer Verhaltensänderung im Alltag bewältigen oder welche unerwarteten positiven Entwicklungen sich dadurch ergaben. Ein Effekt, der in mehreren Gruppen (Verzicht auf Fliegen, Verzicht auf Fleischkonsum) genannt wurde, war beispielsweise die (emotionale) Entfremdung von der eigenen Familie oder von Freunden, die in einem Fall sogar bis zur Beendigung einer Freundschaft führte. Der Umgang damit reichte von der Vermeidung der Diskussionen des Themas bis zu emotionaler Distanzierung von der Situation. Gleichzeitig schilderte eine Teilnehmerin, dass die Befassung mit dem Thema Fleischkonsum und Vegetarismus zu einem insgesamt bewussteren Umgang mit Ernährung und Nahrungsmittelbeschaffung führte.

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Komplexes Diagramm gegliedert in klimafreundliche Verhaltensänderung, Direkte Effekte/Substitutionsmaßnahmen, Effekte (Rebound Mechanismen), Konsumeffekte (andere Konsumbereiche)
adelphi
Ursache-Wirkungsdiagramm für die Gruppe „Verzicht auf Fleischkonsum“

In einer Abschlussdiskussionsrunde wurde darüber gesprochen, wie klimafreundliche Entscheidungen in Bezug auf verfügbares Einkommen und Zeit unterstützt und negative Auswirkungen oder Effekte vermieden werden können. Dabei nannten Teilnehmende unter anderem die verstärkte Bildung zu Klima- und Umweltthemen in Schuleinrichtungen, finanzielle Anreize durch die Politik, Belohnungssysteme sowie strengere Gesetze.

Alle Ergebnisse werden im Projekt weiterverarbeitet und bald in einem öffentlichen Bericht zur Verfügung stehen. Außerdem werden die Erkenntnisse in die Politikempfehlungen einfließen, die am Projekt-Ende entwickelt werden.

Paulina Gotz, Lena Domröse, Maren Tornow (adelphi)

[1] Im Umweltkontext sind damit häufig die unbeabsichtigten Folgen einer klimafreundlichen Verhaltensänderung oder technologischen Innovation gemeint, die zu einer Verringerung der ursprünglichen CO2-Einsparungen führen (vgl. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/fkz_3711_14_104_rebound_effekte_bf.pdf#page=19&zoom=100,72,99 )